Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Ein besserer Umgang mit komplexen Herausforderungen

11.03.2022

Die systemischen Risiken, mit denen die Welt heute konfrontiert ist, können einen Kaskadeneffekt auf alle Systeme und Sektoren haben. Für einen besseren Umgang damit ist eine integrierte Perspektive erforderlich, die die Vielschichtigkeit von klimabedingten Gefahren, die Verletzlichkeit verschiedener Gruppen, ihre Risikoexposition und die gesamten Auswirkungen berücksichtigt. Diese Erkenntnis steht im Mittelpunkt einer Publikation, die von IASS-Forschungsgruppenleiterin Pia-Johanna Schweizer mitverfasst und vom Internationalen Wissenschaftsrat, dem Büro der Vereinten Nationen für Katastrophenvorsorge und dem Risk Knowledge Action Network herausgegeben wurde.

Desinfektion in einer Lagerhalle: Die Corona-Pandemie hat Auswirkungen auf viele Lebensbereiche.
Desinfektion in einer Lagerhalle: Die Corona-Pandemie hat Auswirkungen auf viele Lebensbereiche.

In einer global vernetzten Welt, die mit dem Klimanotstand, alten und neuen Konflikten und den langanhaltenden Folgen der Covid-19-Pandemie konfrontiert ist, sind komplexe Risiken der „neue Normalzustand“, so Jana Sillmann von der Universität Hamburg und dem Center for International Climate Research in Norwegen, federführende Autorin der „Briefing Note on Systemic Risk“. Sillmann ist auch Ko-Vorsitzende des Knowledge Action Network on Emergent Risks and Extreme Events (Risk KAN).

„Die dynamische Natur von Risiken und ihrer Einflussfaktoren ist eine hervorstechende Eigenschaft komplexer Systeme und der damit verbundenen systemischen Risiken. In der Briefing Note argumentieren wir, dass die Merkmale systemischer Risiken, wie zum Beispiel die Überschreitung geopolitischer Grenzen und die zunehmende Verflechtung von Systemelementen, diese Art von Risiken von konventionellen Risiken unterscheidet, wodurch neue Ansätze für Risikobewertung und Risiko Governance erforderlich werden“, so die Forscherin. 

Der kürzlich veröffentlichte Bericht der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats (IPCC) beschreibt die gegenseitige Abhängigkeit von Klima, Ökosystemen, biologischer Vielfalt und Menschen. Aus dieser wechselseitigen Abhängigkeit entstehen schwerwiegende und wiederum miteinander verknüpfte Risiken über verschiedene Regionen, Sektoren und Gemeinschaften hinweg. Diese übersteigen unsere Anpassungsfähigkeit. „Hinzu kommt, dass die Öffentlichkeit systemische Risiken als weniger dringlich wahrnimmt. Das ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen – zum Beispiel auf Verzögerungen bei Ursache und Wirkung. Genau das erleben wir in Bezug auf die Risiken durch den Klimawandel“, erläutert Pia-Johanna Schweizer.

Seit einiger Zeit werde verstärkt dazu geforscht, wie systemische Risiken entstehen und wie sie sich über Sektoren und Größenordnungen hinweg auswirken können, ergänzt Anne-Sophie Stevance, Senior Science Officer beim Internationalen Wissenschaftsrat: „Angesichts globaler Trends, die Veränderungen beschleunigen, ist die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von systemischen Risiken und wie mit ihnen umgegangen werden sollte von entscheidender Bedeutung. Die Publikation bietet eine Bestandsaufnahme der aktuellen Konzepte und des Verständnisses von systemischen Risiken aus einer Reihe von Perspektiven. Zudem zeigt sie Bereiche für eine transdisziplinäre Zusammenarbeit auf.“

In der Briefing Note argumentieren die Autorinnen und Autoren, dass Klimarisikobewertungen und Anpassungsstrategien, die sich ausschließlich auf direkte und klar identifizierte Risiken für einzelne Nationen und Sektoren konzentrieren, nicht ausreichten, um mit systemischen Risiken wie dem Klimawandel oder einer globalen Pandemie umzugehen. Nur durch die Verringerung von Systemanfälligkeiten werde die Welt in der Lage sein, systemische Risiken zu reduzieren.

„So ist Covid-19 als Gesundheitsproblem entstanden, hat aber aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten wichtiger Systeme wie Arbeit, Versorgungsketten, Nahrungsmittelsysteme und internationaler Handel fast alle Aspekte der Gesellschaft beeinträchtigt. Covid-19-Risiken können auch durch gleichzeitige und sich überschneidende Katastrophen verstärkt werden, einschließlich solcher, die durch den Klimawandel und damit verbundene Extremereignisse ausgelöst werden. Die systemische Risikoanalyse ist entscheidend, um zu verstehen, wie die Struktur unserer Regierungen, Institutionen, Technologien und natürlichen Systeme diese Risiken vergrößern oder abmildern kann, und um ganzheitlichere Lösungen zu finden, die auf den Aufbau von Resilienz in unserer komplexen Gesellschaft zugeschnitten sind“, sagte Alex Ruane vom NASA Goddard Institute for Space Studies in den USA, Ko-Autor der Briefing Note und Mitglied der UNDRR Global Risk Assessment Framework Expert Group.

Der jüngste IPCC-Bericht arbeitet mit einem erweiterten Ansatz des „Risiko-Framing“, um sowohl das Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels als auch unsere Reaktionen auf den Klimawandel (einschließlich der Bemühungen um Mitigation und Anpassung) zu erfassen und zu prüfen, wie die Risiken mit der Erreichung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele zusammenhängen. Zukunftsweisende Ansätze für das Risikomanagement können es sich nicht leisten, Probleme isoliert zu behandeln", betont Ruane.

Die Autorinnen und Autoren betonen zudem, dass angesichts der Unsicherheiten und der Komplexität, die mit der Identifizierung und Analyse systemischer Risiken verbunden sind, kein Ansatz allein die Komplexität von miteinander verbundenen, sich verstärkenden und kaskadierenden Risiken erfassen kann. Stattdessen schlagen sie die Verwendung von „Toolbox-Ansätzen“ vor, die einen iterativen - also durch ständiges Hinterfragen der eigenen Fortschritte geprägten - Lernansatz verfolgen, bei dem mehrere Beweislinien und eine Reihe von Methoden und Perspektiven verwendet werden. Darüber hinaus können Toolbox-Ansätze, die auf einem offenen und inklusiven Prozess beruhen, das Vertrauen und die Akzeptanz bei den Entscheidungsträgern erhöhen.

Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des International Science Council.

Sillmann, J., Christensen, I., Hochrainer-Stigler, S., Huang-Lachmann, J., Juhola, S., Kornhuber, K., Mahecha, M., Mechler, R., Reichstein, M., Ruane, A.C., Schweizer, P.-J. and Williams, S. 2022. ISC-UNDRR-RISK KAN Briefing note on systemic risk, Paris, France, International Science Council, https://doi.org/10.24948/2022.01

Systemic Risk

Kontakt

Pia-Johanna Schweizer

Dr. Pia-Johanna Schweizer

Forschungsgruppenleiterin
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Bianca Schröder

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